Metallarbeiterverband in Komotau - Unsere Menschen

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Verbände, Vereine
Internationaler
Metallarbeiterverband
mit Sitz in Komotau
Zur Geschichte von Komotau gehört auch die Arbeiterbewegung, die eine nicht geringe Rolle bereits in der Habsburger Monarchie spielte. Der Arbeiteranteil und dies insbesondere in der Metallindustrie lag durch die Großunternehmen Mannesmannröhren-Werke AG und der Poldihütte sowie der Glockengießerei Herold und anderen bei rund 40 Prozent.
Dies war sicher auch ein Grund, weshalb der Internationale Metallarbeiterverband seine Zentrale 1922 von Prag nach Komotau verlegte.  In Komotau erwarb der Zentralverband ein Verbandshaus in der Lessingstraße 23 und zwei Beamtenwohnhäuser in der Beethovenstraße. Untergebracht war in der Lessingstraße auch die regionale Verwaltungsstelle des Verbandes für Komotau.
Örtliche Verwaltungsstellen des Verbandes gab es außerdem in Aussig, Bodenbach,  Böhmisch-Leipa, Brüx, Eger, Gablonz, Jägerndorf, Karlsbad, Märisch-Ostrau, Pilsen, Reichenberg, Rothau, Teplitz und Warndorf.

Aus dem Bericht über die Tätigkeit des Verbandes in den Jahren 1922 – 1925, erschienen im Selbstverlag 1926, wurde folgendes entnommen:

Verwaltungsstelle Komotau:

Im Jahre 1922 setzte die Wirtschaftskrise ein, die im Gebiete der Verwaltungsstelle verheerend wirkte. In einer Anzahl der Betriebe wurde die Arbeitszeit reduziert und ein bedeutender Teil der Arbeiterschaft auch entlassen. Einzelne Unternehmen wurden vollständig zum Stillstand gebracht, während in anderen nur ein geringer Prozentsatz der früher beschäftigten Arbeiter verblieb. Diese Erscheinungen machten sich in der Großindustrie, wie zum Beispiel bei Mannesmann, Poldihütte, stark bemerkbar. Im selben Ausmaße wurden jedoch auch die Kleinbetriebe von ihr betroffen. Einzelne Betriebe, so unter anderen auch die Waffenfabrik Hubertus in Weipert, wurden vollständig eingestellt, um nicht wieder eröffnet zu werden.

Erst im Jahre 1924 begann sich die Konjunktur zu bessern und eine bessere Beschäftigungsmöglichkeit trat ein. Durch die Einführung der Goldmark in Deutschland, wurde die Situation für unsere Industrie am Weltmarkt günstiger und jene Unternehmungen, die besonders mit Export rechneten und bisher unter der deutschen Konjunktur gelitten hatten, konnten sich wieder erholen. Auch bei Mannesmann setzte bessere Konjunktur ein, wenn sie auch noch
                                                                                                                                                                                      einige Male durch kleine Unterbrechungen gestört wurde. Desgleichen war die Poldihütte, die ihren Beschäftigungsstand von 2000 auf 200 reduzierte, in der Lage, ihre Arbeiterzahl auf 500 zu erhöhen. Auch in der Uhrenindustrie setzte ein lebhaftes Geschäft ein und es musste längere Zeit mit reichlichen Überstunden gearbeitet werden, um den einlaufenden Aufträgen gerecht zu werden. Die Ersetzung der in der Kriegszeit mit Beschlag belegten Kirchenglocken schuf reichliche Arbeitsmöglichkeit für die Glockengießereien. Auch die Saazer Draht-, Drahtstiften- und Schraubenfabrikation hob sich und konnte gleichfalls eine volle Ausnützung ihrer Produktionsmöglichkeiten verzeichnen. Die Kugellagerindustrie, die im Jahre 1922 eingestellt wurde und die zuvor gegen 300 Arbeiter beschäftigte, konnte sich erholen und ihren Arbeiterstand auf über 500 erhöhen.
Die Krisenverhältnisse haben auch die Entwicklung unserer Verwaltungsstelle behindert und waren sie zum Großteil die Ursache des Rückganges der Mitgliederzahl. Die Krise auf der einen Seite, die zerstörende Tätigkeit der Kommunisten unter Mithilfe der Deutschgelben auf der anderen Seite, haben einen Verlust in der Mitgliederzahl herbeigeführt. Der Rückgang in der Mitgliederzahl passte sich verhältnismäßig die Beitragsleistung an.  Stand Anfang 1922 Mitglieder 3727, Ende 1925 waren es 1431 Mitglieder.

Stimmberechtigte Vorstandsmitglieder und andere im Verband aus Komotau:
Kaufmann Franz, Haßler Josef, Krehan Franz, Lindner Josef, May Alois, Müller Anton, Petermann Roman, Uhlisberger Anton, Weigel Wilhelm,  Weiß Johann und Detela Josef aus Brüx..
Verbandskontrolle: Geißler Alois. Novotny Josef, Pintrawa Franz aus Brüx.
Verbands-Schiedsgericht:  Willomitzer Josef und Geißler Karl aus Brüx.
Beamten der Verwaltungsstelle: Kurt. Luci und Willibald Werner.
Als Hilfskräfte waren beschäftigt: Ihl, Marie, Matejka Marie. Neubert Marie, Schlaf Emmy.

Auf der Tagesordnung 1926 standen:
Die Umwälzung in der Eisen- und Metallindustrie, die wirtschaftliche Situation in der Tschechischen Republik und die Lohnpolitik.
Die Sozialversicherung und das Genter System (Arbeitslosenversicherung) Betriebsausschüsse im Spiel der Rechtsprechung.   

In dem Verbandsbuch 1926 ist die Tätigkeit der einzelnen Ortsverbände mit umfangreichem Zahlenmaterial dargestellt. Ein- und Ausgaben des Zentralverbandes sind bilanziert.  Die größten Ausgaben in den Jahren 1922 bis 1925 wurden für die Arbeitslosen-Unterstützung und für die Streikunterstützung geleistet.

Hedwig Gemmrig-Helmich
Verbandshaus
Verbandskanzlei

Sekretariat
Franz Kaufmann
Obmann des Internationalen Metallarbeiterverbandes in Komotau

Franz Kaufmann wurde am 5. April 1876 als Sohn eines wohlhabenden Mühlenbesitzers in Herbitz, Bezirk Aussig, geboren. Er besuchte die Volksschule in Graupen und das Realgymnasium in Teplitz. Sein Wunsch, Medizin zu studieren, zerschlug sich aufgrund des finanziellen Ruins des Vaters. So war er gezwungen als Arbeiter sein Auskommen zu finden. Er wurde Schlosser und Dreher in Teplitz. Später übte er diesen Beruf in den Städten Chemnitz und, Brandenburg an der Havel sowie in Wien aus. Im Jahre 1890 wurde er Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und Mitglied des Deutschen Metallarbeiterbandes (DMV).  Als Sozialdemokrat wurde er wiederholt entlassen und abgeschoben.
Von 1914 bis 1918 nahm Kaufmann am Ersten Weltkrieg teil, in dem er in Wolhynien und Südtirol zum Einsatz kam. Im Jahre 1919 gehörte er kurzfristig der Weimarer Nationalversammlung an.
In der neu geschaffenen Tschechoslowakischen Republik wurde Kaufmann 1920 Mitglied der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei (DSAP).  Von 1922 bis 1935 gehörte Kaufmann für die DSAP drei Legislaturperioden lang dem Parlament als Abgeordneter der Deutschen Minderheit an.
Gleichzeitig war Franz Kaufmann ab 1922 bis 1936 (?) Obmann des Internationalen Metallarbeiterverbands (Gewerkschaft) und führte den Verband mit Sitz in Komotau. In  dieser Zeit wohnte er in Komotau.  
Franz Kaufmann starb am 27. April 1939 in Budweis. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Sie sollen im Zusammenhang mit der frühen Verfolgung der Sozialdemokraten stehen.
Anfragen bei verschiedenen Institutionen sind veranlasst und das Ergebnis werden wir veröffentlichen.                  

                                                                                      Hedwig Gemmrig

 
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