Das Schrägwalzverfahren und das Pilgerschrittverfahren.mit freundlicher Genehmigung von Mannesmann Archiv Mülheim /Rh.
Wie funktioniert das Mannesmann-Verfahren zur Herstellung nahtloser Stahlrohre?
Als Mannesmann-Verfahren wird das Schrägwalzen, lange Zeit in Kombination mit dem Pilgerwalzen, bezeichnet. Beide Techniken wurden von den Brüdern Reinhard und Max Mannesmann Ende des 19. Jahrhunderts erfunden.
Das Schrägwalzverfahren wurde 1886 patentiert. Es ermöglichte erstmals, aus einem massiven Stahlblock einen dickwandigen nahtlosen Hohlkörper herzustellen. Dafür wird der Stahlblock auf 1200 bis 1300 Grad erhitzt und zwischen zwei Walzen geführt, die schräg zueinander angeordnet sind und den gleichen Drehsinn haben. Damit Schrägwalzverfahrenarbeiten Walzen und das dazwischenliegende Walzgut wie eine Art Getriebe, bei dem das Walzgut schraubenlinienförmig zwischen den Walzen hindurch transportiert wird. Dem Walzgut wird ein Dorn entgegengestellt, der sich über eine frei drehbare Stange auf der Auslaufseite des Schrägwalzwerkes abstützt. Das Walzgut wird durch die Walzen über diesen Dorn gewalzt und damit gelocht. Vor der Dornspitze erfährt das Walzgut im Kern, bedingt durch die Rotation, wechselnde Zug- und Druckbeanspruchungen, die zur Auflockerung führen und so die Dornarbeit ermöglichen.
Den Brüdern Mannesmann war in den 1880er Jahren beim Walzen von Vormaterial für die Feilenherstellung aufgefallen, dass schräg stehende Walzen zu einer Kernlockerung und einem Aufreißen des Stahlblocks führen können. Durch die kühne Idee, dieses Phänomen systematisch zu nutzen, gelang es ihnen, zunächst allein durch Walzen, aus einem massiven Block einen Hohlkörper herzustellen. Jedoch setzten sie bald zur Unterstützung des Walzvorgangs einen Glättdorn ein, um das Aufreißen des Hohlblocks gleichmäßiger zu gestalten. In den seitdem vergangenen über einhundert Jahren ist das Verfahren so optimiert worden, dass ein Aufreißen des Stahlblocks vermieden wird und durch die Dornarbeit ein Hohlkörper mit einer möglichst regelmäßigen Innenoberfläche entsteht.
Der auf diese Art hergestellte dickwandige Hohlkörper war noch nicht als Rohr marktfähig. Anfang der 1890er Jahre entwickelte Max Mannesmann daher das Pilgerschrittverfahren, das den im Schrägwalzwerk entstandenen Hohlblock zu einem Rohr von großer Länge und mit geringer Wanddicke auswalzt. Im Pilgergerüst befinden sich zwei Pilgerschrittverfahrenübereinander angeordnete, konisch kalibrierte Walzen, die entgegen der Walzrichtung betrieben werden, zwischen sie wird der dickwandige Hohlblock auf einem zylindrischen Dorn eingeführt. Das sogenannte Pilgermaul erfasst den Hohlblock und drückt von außen eine kleine Werkstoffwelle ab, die anschließend vom Glättkaliber auf dem Pilgerdorn zu der vorgesehenen Wanddicke ausgestreckt wird. Entsprechend dem Drehsinn der Walzen wird hierbei der Pilgerdorn mit dem darauf befindlichen Hohlblock nach rückwärts – also gegen die Walzrichtung – bewegt, bis das Leerlaufkaliber das Walzgut frei gibt. Bei gleichzeitiger Drehung wird das Rohr um ein weiteres Stück zwischen die Walzen gebracht, der Walzvorgang beginnt von neuem.
Durch ein mehrfaches Überwalzen jedes Rohrbereichs wird eine gleichmäßige Wanddicke und Rundheit des Rohres erreicht. Am Schluss wird das Rohr vom Pilgerdorn abgezogen und die unsauberen Rohrenden werden abgetrennt. Die Bewegung des Rohrs bei diesem periodischen Walzvorgang – vor, zurück und wieder vor – ähnelt der Bewegung bei der Echternacher Springprozession, daher der Name "Pilgern".