Dr Roußbuttnbou - Unsere Menschen

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Erzählungen, Sagen
Dr Rousbuttnbou
Erzählung von Ed. Wagner *1934
Ich sehe sie noch vor mir, die armseligen Menschen, wie sie vor dreißig* und mehr Jahren die Ortschaften unseres Erzgebirges durchwanderten, um ihre stäubende, schwarze Ware- Ruß- abzusetzen.
Sie kamen im Sturme des Herbstes, im Froste des Winters und in der Hitze des Sommers in zerlumpten, beschmierten Kleidern, überall von den Hunden bös empfangen und von Dorfpolizisten und Grenzwächtern schief angesehen.
Während die Spitzenweiber und die Bandelmänner alleweil freundliche Gesichter machten und ihren Kram mit schönen Worten und spaßigen Bemerkungen anpriesen, gingen die Rußbuttenleute ziemlich wortkarg durchs Dorf und fragten ihr "Brauchts an Ruß?" einförmig und unfreundlich.
Das war nicht immer so. Es gab auch recht lustige Gesellen unter ihnen, welche sich selber zur Schau stellten. in dem bekannten Lied vom "Roussbuttnbou" wird dies dokumentiert.
Müde und stumpf setzten sie ihre Kraxn auf der Bank vor meinem Elternhaus nieder, nahmen einen Arm voll Butteln und gingen in der Nachbarschaft hausieren. Ihr gedrücktes und schlechtes Aussehen rührte nicht von der Last her, die sie trugen, denn der Ruß ging nicht ins Gewicht, sondern der elenden Ernährung. Ihre Mahlzeiten bestanden fast regelmäßig aus Brot und Wasser. Wenn ihnen jemand eine Suppe reichte, so war das ein Festschmaus für sie. In den Pferdeställen der Gasthäuser hielten sie Nachtruhe. War der Vorrat verkauft, verschwanden sie aus der Gegend und kamen erst nach längerer Zeit wieder. Man brauchte Ruß dazumal in jedem Haushalt. Zunächst wurde er zur Bereitung der Stiefelschmiere verwendet. Diese stellte man aus Pferdefett und Rindstalg her und färbte sie mit gut hineingerühtem Ruß. Etwas Fischtran verbesserte die Sache. Die teerigen Bestandteile verhinderten das Naßwerden des Leders. Die Knechte benutzten ein ähnliches Gemenge, um die Pferdegeschirre in Ordnung zu halten. Weiter brauchte man Ruß zur Herstellung von Ölfarbe und schwarzem Lack. Die Räucherkerzen, die eine Kegelform hatten, wurden unter Zuhilfenahme von Ruß hergestellt. An einem frisch geweißten Haus wurde ein grauer Sockel angesetzt.
Die beste und dauerhafteste Farbe erhielt man, wenn die Kalkmilch mit Ruß angestzt wurde. Das war eine Lieblingsbeschäftigung der Kinder. Es gibt außerdem verschieden Festlichkeiten, bei denen sich Burschen und Madeln das Gesicht mit Ruß beschmieren. Bei Paschern und Raubschützen spielte Ruß ein wichtige Rolle.
Die Rußbuttenleute waren nicht die Erzeuger des Rußes, sondern blos die Händler. Ihr Name kommt von den "Butteln", in denen sie den Ruß handelten. Eine solche Buttel bestand aus sechs tonnenartig zusammengestellten Fichtenspänen, die von dünnen Holzreisern zusammengehalten und an beiden Enden mit Deckelchen verschlossen wurden. Für gewöhnlich gab es zwei Größen. Die eine Sorte hatte dreißig bis fünfunddreißig Zentimeter Länge und zehn Zentimeter Durchmesser. Die zweite war etwa zwanzig Zentimeter lang bei einem Durchmesser von fünf. Erzeugt wurde der Ruß in Rußhütten. Sie standen etwas abseits vom Dorfe, an einem Feldweg oder am Waldesrand. Die Hütte, ein Fachwerkbau, hatte eine Tür und zwei fensterartigen Öffnungen, die durch Holzläden verschlossen werden konnten.
Im Hüttenraum stand der Rußofen, ein ziemlich langer, auf den Erdboden aufgemauerter Kanal von einem Meter Durchmesser. Vorn lag die Feuerung. Im hinteren Ende bog der Kanal rechtwinkelig in die Höhe und mündete schließlich in einen Kamin. Der rückwärtige Teil war die eigentliche Rußkammer. Hier hing der Rußsack oder das Rußtuch, in welchem sich der Ruß abstzte. Er wurde von Zeit zu Zeit mit einer Rute abgeklopft und unten durch ein Türchen heraus genommen.
Verbrannt wurde meist Kienholz (Kiefer), auch Rinde. Das Feuer durfte nie zu hell brennen oder schwelen. Der Rußbrennen mußte demnach auf den richtigen Zug achten. Er arbeitete gewöhnlich nur im Winter. Im Sommer schleppte er das Holz herbei und schlichtete es neben der Holzhütte auf.
In Westböhmen wird noch Ruß gebrannt (Stand 1934), aber der Kleinhandel hat aufgehört; die Rußbuttenmänner sind ausgestorben. Das Volkslied hat die Gestalt festgehalten. Die meisten stammten aus dem Egerland, aus der Nähe von Falkenau, aus Kirchen Birk, Nallesgrün, Jechnitz, Wallisgrün. Einige Händler fielen auf, daß sie ihre Ware nicht in Kraxen, sondern in Körben trugen, die aus geschlitzten Wurzeln hergestellt waren.
Ich habe eingangs erwähnt, daß die im Grenzgebiet herumziehenden Rußmänner immer mit Mißtrauen von den Finanzern angeschaut wurden. Das war nicht unberechtigt. Beweis war der folgende Vorfall: Ein Frau hatte ein halbes Dutzend Butteln gekauft. Eine Buttel war nach dem Öffnen leer. Doch bald zog die Frau ein wertvolles zusammengerolltes Seidentuch heraus, das bestimmt nicht für den Rußverkauf bestimmt war.

Nachgebildete Roußbuttn von der Eghalanda Gmoi Vöhringen
 
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