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Bielenz

B-G
Bielenz
(1355 - heute)
(Bilence)
mundartlich Wielenz


Frau Margaretha (Rita) Schön, geb. Ebenhöh aus Wodierad hat mit viel Liebe und Sachverstand die vorliegende Datei von Bielenz erstellt. Sie ist ein weiterer Beweis dafür, daß die Liebe und Treue zu unserer Heimat Böhmen nie erlöschen wird. Der Heimatkreis Komotau dankt Frau Schön für ihre brillante Arbeit.

Das Dorf Bielenz liegt 7,5 km südöstlich von Komotau zu beiden Seiten des Assigbaches und circa 260 Meter über dem Meeresspiegel. Es ist nur durch die Länge des Weinberges vom zur Gemeinde gehörenden Ort Wodierad getrennt (siehe auch Wodierad). Die Gemeinde hat ein Flächenmaß von 723 Hektar.
Der Name des Ortes soll aus einem Personennamen hervorgegangen sein, also das Dorf der Bielen. Es wurde 1355 erstmals urkundlich erwähnt. Um diese Zeit wird auch bereits ein Schlösschen, bzw. eine Burg und eine Kirche genannt. Eine Grabplatte in der Bielenzer Kirche belegte noch zu unserer Zeit, dass "im Jahre 1597 die Frau von Ladislav Hrobšicky, Anna von Bielenzich und ihre Tochter Anastasia" verstorben sind. In der dicken Umfassungsmauer des alten Friedhofs in Bielenz, der ab 1871 als Turnplatz diente, befanden sich noch Grabsteine dieses Geschlechts. Nach mehrmaligem Wechsel der Besitzer von Bielenz, übernahm es 1738 der Fürst von Auersperg und vereinigte es ab 1766 mit seinem Besitz Rothenhaus. Der Bielenzer Meierhof blieb bis zur Enteignung der deutschen Fürsten nach dem 1. Weltkrieg durch den jungen tschechischen Staat bei Rothenhaus, die Kirche bis 1945.
Eintragungen im Komotauer Grundbuch belegen, dass bereits 1528 deutsche Bürger in Bielenz lebten. So hat ein Merten Weber aus Bielenz mehrere Häuser in Komotau gekauft und 1599 teilte ein Merten Priefing, Gastwirt in Bielenz, das Erbe seiner Frau. In den folgenden Jahrhunderten besiedelten – bis 1945 – überwiegend Deutsche den Ort.
Hervorzuheben ist, dass über Jahrhunderte in Bielenz auch Juden wohnten. Die Besiedelung begann im 16.Jahrhundert. 1748 wurden 10 Familien genannt, am Anfang des 19.Jahrhunderts sogar 80 Familien. 1826 erbaute man in Bielenz eine Synagoge und eine Judenschule und es gab bis 1938 auch einen Judenfriedhof (siehe Skizze von Bielenz). Die Juden in unserem Ort arbeiteten als Kaufleute, Handwerker und auch als Bauern(siehe auch "Komotauer Zeitung" vom März 2002). Um 1900 waren in Bielenz 88 Häuser, 513 Einwohner, darunter 6 Protestanten, 457 Katholiken und 50 Juden. Während des 1.Weltkrieges wanderten viele der Juden in die umliegenden Städte ab, so dass 1919 bereits die ehemalige Judenschule an die Familie Mahner als Wohnhaus verkauft wurde und 1925 der Judentempel der Gemeinde geschenkt worden ist mit der Verpflichtung, dafür den Judenfriedhof zu pflegen. Im Judentempel wurde 1928 durch die Gemeinde Bielenz ein Kindergarten für die Kinder aus Bielenz und Wodierad eröffnet. Im Obergeschoß baute man Wohnungen aus. Zuletzt lebte noch eine Jüdin in Bielenz, die Frau Polland. Sie wurde 1940 ins Konzentrationslager gebracht, obwohl sie sehr betagt war und bis dahin ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu den Bürgern des Ortes hatte! Der Judenfriedhof wurde im gleichen Jahr eingeebnet und zum Sportplatz erklärt – die Bielenzer Bevölkerung hat diesen Sportplatz nie angenommen.
Der Ort Bielenz hatte ab dem Jahre 1880, bis zu unserer Vertreibung nach dem 2.Weltkrieg, stets um 500 Einwohner. 1930 waren es 519 und 91 Häuser, für 1945 kann ich nur die Häuserzahl berichtigen – es waren 102 Hausnummern. Haupterwerb der Einwohner war zu jeder Zeit die Landwirtschaft, auch wenn einige Familienväter in den Schächten des Komotauer und Brüxer Kohlerevieres arbeiteten und einige in Industriebetrieben in Komotau tätig waren. Unsere Bauern befassten sich mit dem Anbau aller Getreidearten, mit Kartoffeln ab dem Jahre 1774 und mit Zuckerrüben, Gurken und Gemüse zum Verkauf. Der Meierhof hatte in den 30iger Jahren zwischen Bielenz und Wodierad auch einen Hopfgarten.
Der Eingang nach Bielenz erfolgt von der Bezirksstraße Komotau – Welmschloß, kurz nach der "Horschenzer Mühle". Noch vor dem Assigbach stehen rechts 2 zum Meierhof gehörende Familienhäuser und links der seit dem Jahre 1650 so benannte Meierhof. Dort befand sich früher auch das erwähnte 1. Schlösschen, das im 18.Jahrhundert durch das von Fürst von Auersperk erbaute, jetzt noch vorhandene Barockschloß ersetzt wurde.
Mitteleingang vom Schloß im Meierhof in Bielen
                                                                          St. Johannes Nepomuk, kurz vor der Assigbachbrücke
Kurz vor der Assigbachbrücke steht die Statue des hl. Johann von Nepomuk aus dem Jahre 1750, des Schutzheiligen Böhmens. Sein Blick ist auf das Schloß gerichtet. Unmittelbar neben der Statue ist der Eingang zur Allee – einem Park, der sich von Bielenz, am Assigbach entlang, bis nach Neosablitz hinzog, in dem Fasanen und anderes Niederwild waren.)
Noch in unserer Zeit, konnte man den Hauptweg der Allee mit der Kutsche befahren. Alle Bürger hatten Zugang, es war ein Gebiet zur Erholung, zum feiern von Festen und zum spielen für die Kinder.
Nach der Brücke über den Assigbach stehen auf der linken Seite der Straße bis zur Straßenkreuzung, der Bauernhof Šara, das Grundstück Hollitzer und die Schmiede des Herrn Pallan. Auf der rechten Seite befindet sich das Spritzenhaus der Freiwilligen Feuerwehr Bielenz. 1877 gegründet, konnte sie 1937 das 60.Gründungsfest begehen.
Bild vom 60.Gründungsfest der Bielenzer Feuerwehr. An diesem Tage wurde die bisherige Handspritze durch eine Motorspritze ersetzt, zu der auch die Wodierader Bürger zuzahlten. Bis zur Straßenkreuzung stehen auf der rechten Seite noch das Grundstück Bergner, die Gaststätte und Fleischerei Reichmann und der Bauernhof Ehrlich (siehe Skizze von Bielenz).Diese Straßenkreuzung nannten wir die "Drehscheib", da von hier aus alle Teile des Ortes erreicht werden konnten.
Die "Drehscheib" im Jahre 1925. Im Vordergrund dieses Bildes sind links die Häuser der Familien Schmied und Hollitzer und in der Mitte der alte Friedhof (seit 1871 Turnplatz) mit der dicken Umfassungsmauer zusehen. Das vor dem alten Friedhof stehende Marterl, wurde Ende der 30iger Jahre des 20.Jahrhunderts abgerissen. Im Hintergrund der Kirchturm. Links führt die Straße zur ehemaligen Mühle und zum "oberen Ring", einem oval umbauten Dorfplatz mit größeren und kleineren Bauernhöfen, der Gärtnerei, mit Arbeiterhäusern und am Eingang dem "Pietschkreuzl" aus dem Jahre 1871 (siehe Skizze von Bielenz). Rechts von der "Drehscheib" führt die Straße an der Gaststätte Schöpka (mit Saal und Landwirtschaft) vorbei, ins ehemalige Bielenzer Judenviertel und am Weinberg entlang nach Wodierad.
Dieses Bild zeigt den Anfang der "Judengasse" im Jahre 1925. Die Gasse hieß bis 1945 so, obwohl die Häuser nicht mehr in jüdischem Besitz waren. Rechts steht die Scheune vom Bauern Ehrlich, dann der Bielenzer Dorfbrunnen (von Kindern verdeckt). Etwas zurückgesetzt schaut das Haus der Familie Hampl mit Kaufladen und Fleischerei hervor, dann das Haus der Familie Lehnhard und vorne links der "Enderskaufladen".


In Fortsetzung der rechten Seite der Judengasse steht – nur durch eine kleine Gasse getrennt – der ehemalige Judentempel (seit 1928 Kindergarten und Wohnhaus). Auf der linken Seite dieser Gasse sind die Häuser Taud und Hanwald zu sehen.

Am Ende der Judengasse, in Richtung Wodierad, ist im Vordergrund die ehemalige Judenschule, ab 1919 das Wohnhaus der Familie Mahner. Hinter Mahner sieht man die von der Familie Blum bewohnte alte Schmiede und im Hintergrund links den Weinberg, der die Straße bis nach Wodierad begleitet. die übrigen Anwohner der Judengasse und des Wohnbereiches bis zum neuen Friedhof, entnehmen Sie bitte der Skizze von Bielenz.
Geht man von der "Drehscheib" die Straße in Richtung Kirche, kommt man zum Zentrum des Ortes, zum Kirchplatz.
Der genannte Platz im Jahre 1925. An der Kirche sieht man das im Jahre 1937 errichtete Denkmal für die Gefallenen des 1.Weltkrieges aus den Dörfern Bielenz und Wodierad (siehe auch "Komotauer Zeitung" vom November 2002). Links vor der Kirche befindet sich ein Löschwasserbassin für die Feuerwehr und dahinter (hier nicht sichtbar) die Bauernhöfe Plietzner und Schubert und dazwischen das Haus der Familie Hanwald. Rechts auf dem bild steht unsere Bielenzer Schule und dahinter, etwas zurückgesetzt, ein Teil des Wohngebäudes vom "Oberen Hof". Dieses Gut gehörte bis 1945 der jüdischen Familie Pyritz, zuletzt an Alfred Kletschka verpachtet. Im zu sehenden Arbeiterhaus wohnten die Familien: Maier, Helmer, Schlosser, Weinert, Renner, Viehweg und Pohl. Der Platz vor der Kirche und der Schule und der anschließende Platz Walter/Herm (siehe Skizze von Bielenz) dienten zum Bielenzer Kirchenfest am 24. August als Festplatz für "Buden" (Verkaufstände), Schaukel und Ringelspiel.
Unsere Bielenzer Kirche ist auf den Namen des hl. Bartholomäus geweiht und 1355 erstmals erwähnt. Sie wurde mehrmals umgebaut und war nach Pritschapl bzw. Eidlitz eingepfarrt
Altarraum der Kirche von Bielenz um 1935. gebaut im späten Barockstil, mit einem künstlerisch wertvollen Altarbild, das eine Gräfin von Rothenhaus stiftete. Die Kanzel ist dem Rokokostil zuzurechnen und der Taufstein der späten Gotik.
Die Orgel in der Kirche von Bielenz. Sie wurde 1874 von Ferdinand Gut gebaut, hat 500 Pfeifen und insgesamt 7 Register.
Urkunden im Turmkopf der Bielenzer Kirche belegen, dass seit 1738 – des Kaufes des Bielenzer Meierhofes durch Fürst von Auersperk von Rothenhaus – bis 1945 die jeweiligen Besitzer von Rothenhaus, auch die jeweiligen Patrone der Bielenzer Kirche waren. Im Jahre 1930 wurde durch "seine Durchlaucht Gottfried Prinz von Hohenlohe Langenburg" der jetzige Kirchturm neu errichtet.
Die Schule von Bielenz wurde in der 1.Hälfte des 17.Jahrhunderts erstmals erwähnt, 1822 neu aufgebaut und die Kinder von Wodierad mit eingeschult. 1873 wurde auf Grund der großen Schülerzahl eine Klasse angebaut. Bereits 1882 wurde sie zum heutigen Stand aufgestockt. Die Bielenzer Bauern und Handwerker sorgten ständig für neues Anschauungsmaterial, auch für Turngeräte und unsere Lehrer leisteten eine gute Arbeit, so dass es Kindern unserer Schule nicht schwer fiel, in die Bürgerschule oder das Gymnasium nach Komotau zu wechseln. Für die Mädchen gab es ab dem Jahre 1927 auch eine Schulküche für den Kochunterricht und eine Schulbibliothek und ein Schulgarten bestanden schon 1914.
Geht man rechts um die Kirche, dann führt die Straße rechts zum neuen Friedhof, in die Felder und nach Zuscha. Direkt hinter der Kirche befindet sich noch ein kleinerer Dorfplatz.
Dorfplatz hinter der Kirche in Bielenz im Jahre 1925. Die Häuser auf dem Bild sind rechts der Kaufladen Wocker und links daneben die Bäckerei Schwabe. Kleine Landwirtschaften und Einfamilienhäuser bilden anschließend einen Halbkreis um einen Teich. Dazwischen befindet sich das ehemalige "Ringlgasthaus" (siehe Skizze von Bielenz), das vor dem Bau der Bezirksstraße Komotau – Welmschloß eine besondere Bedeutung durch seine Nähe zur "alten Meißner Straße" hatte, die von Sachsen herkommend, über Komotau, auf der Anhöhe hinter unseren Dörfern von Puschenpelz an Bielenz vorbei, nach Prag führte. Ein alter Meilenstein belegte noch zu unserer Zeit diese Tatsache. Das "Ringlgasthaus" in Bielenz diente damals den Kaufleuten und Fernreisenden als "Ausspanne" (Rasthaus für Pferde und Reisende).
An der linken Seite dieses Dorfplatzes hinter der Kirche in Bielenz, Steht die Sattlerei Freiding. Von dort führt eine Straße rechts hinter den Häusern nach Puschenpelz und Schößl (früher auch zur "alten Meißner Straße") und geradeaus nach Pritschapl und Eidlitz.Dieses Kreuz aus dem Jahre 1871, steht an der Straße nach Pritschapl – Eidlitz, am letzten Haus von Bielenz. (siehe Skizze von Bielenz). In der "Heimatkunde des politischen Bezirkes Komotau", herausgegeben vom Deutschen Bezirkslehrerverein im Jahre 1898, wird Bielenz als der größte und bevölkertste Ort im südlichen Teil des Bezirkes Komotau genannt. Es kann sich auch rühmen, einen großen Sohn hervorgebracht zu haben! Dr. Ernst Storch, geb. am 3.April 1865 in Bielenz, war von 1910 – 1933 Vorsteher (also Bürgermeister) in Komotau.
Der "Bund der Landjugend" bot den jungen Leuten beider Orte durch Singabende, Ausflüge und die Mitgestaltung der verschiedenen Volksfeste eine sinnvolle Freizeitgestaltung.
Der seit 1923 bestehende Bielenzer Turnverein, war für den Fasching, den "Maibaum" und die "Pfingstbirk" zuständig – Feste, die in unserer Heimat gerne gefeiert wurden.
Auch ein Radfahrverein stand für Interessierte aus Bielenz und Wodierad zur Verfügung.
Bis zum Ende des 1.Weltkrieges und der Zugehörigkeit unserer Heimat zum Österreich-Ungarischen Kaiserreich, war das Zusammenleben der verschiedenen Religionen und Nationalitäten selbstverständlich. Mit der Gründung der Tschechoslowakischen Republik im Jahre 1918 und der anschließenden Bevorzugung der tschechischen Nationalität im Staate, veränderte sich das Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen. In den Orten Bielenz und Wodierad wurden diese Probleme aber erst nach dem Münchner Abkommen, im Jahre 1938, deutlich.

Ortsbetreuer:

Emma Kulla

August Bebel Str. 8

39291 Möser
Tel.:03 92 22-2895
Förderverein Mittleres Erzgebirge Komotauer Land e. V.
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