Das Raubschloß bei Brandau
Schlösser und Burgen
Mirko Knauth
Eine schöne Sage über unser Brandau, gefunden im Buch „Sagenbuch des Erzgebirges“ von Johann August Ernst Köhler
Die weißen Frauen des Raubschlosses bei Brandau
Wenn man von Brandau, das mit dem zugehörigen Orte böhm. Grünthal den am weitesten vorgeschobenen Zipfel des Brüxer Bezirks ausfüllt, nach Kallich wandert, so muß man durch das wegen seiner Naturschönheiten berühmte und deshalb von Touristen sehr besuchte Teltschthal, in dem der Grenzbach Natschung zahlreiche Brettmühlen und auch das jetzt allmählich verfallende Eisenwerk Gabrielenhütte treibt.
Am Eingange in dieses Thal befindet sich zur rechten Hand, unmittelbarüber dem zu Brandau gehörigen Wirtshause zu »Beneschau«, vielleicht 8 Minuten vom eigentlichen Dorfe entfernt, in dem der Gemeinde Brandau gehörigen Walde ein Felsen, der schon steil gegen die Straße, noch mehr aber gegen das Natschungthal abfällt. Hier auf diesem Felsen will man noch Mauerüberreste sehen und man nennt den Platz das Raubschloß. Die Sage erzählt davon folgendes:
Auf dem Raubschlosse stand früher eine Burg, die einem mächtigen Ritter gehörte, der gar oft viele Wochen von ihr sich entfernte, aber
immer reich mit fremden Schätzen beladen zu ihr zurückkehrte. Als er einst wieder auf Raub auszog, überfielen seine Feinde die Burg,
nahmen die Besatzung gefangen und legten sich in den Hinterhalt, um auch den nur von wenigen Reisigen umgebenen Ritter zu fangen.
Als dieser zurückkehrte, erkannte er sogleich die ihm drohende Gefahr und sprengte, um der Gefangenschaft zu entgehen, mit seinem Pferde den steilen Berg hinab in das Thal, wo er zerschmettert anlangte. Die Burg wurde dem Erdboden gleich gemacht.
Seit jener Zeit treibt dort ein graues Männchen sein Wesen, das einst einem Försterburschen eine Thür zeigte, durch die er in ein großes Zimmer im Berge trat. Das Männchen erlaubte ihm auch, von dem vielen hier aufgespeicherten Gelde täglich eine bestimmte Summe zu holen. Als der Bursche aber noch einen seiner Kameraden mitbrachte, damit auch dieser die Schatzkammer kennen lerne, blieb er in der
Höhle eingeschlossen.
Wenn am Pfingstmontage nach dem Gottesdienste die Lichter in der Kirche ausgelöscht werden, öffnet sich die Thür, und eine weiße Frau kommt heraus, die aber schon wieder nach einer halben Stunde hinter derselben verschwindet. Benutzt man diese halbe Stunde, so kann man die verborgenen Schätze aus der Höhle holen.
Ein Knabe aus dem sächsischen Grenzorte Rothenthal spielte eben auf der Violine, als die weiße Frau aus dem Felsen trat und ihn aufforderte, ihr etwas vorzuspielen. Furchtlos überschritt er den Grenzbach und spielte der Frau seine schönsten Melodien vor, in der Meinung, von ihr reich belohnt zu werden. Als die halbe Stunde verflossen war, nahm ihn aber die Frau nicht, wie er vermutet hatte, mit in den Berg, sondern füllte nur seinen Geigenkasten mit Laub. Ärgerlich warf er dasselbe heraus und lief heim. Dort sah er noch einmal in den Kasten und fand drei Thaler darin. Eilends kehrte er zurück, fand aber weder die Frau, noch das weggeworfene Laub.
Ein andermal saß ein Mann am Ufer der Natschung und fischte. Da öffnete sich wieder die Thür im Raubschloß, und drei weiße Frauen traten heraus, gingen zum Bache und wuschen ihre Hände. Als sie der Mann sahen, riefen sie ihm zu, er möge drei Säcke holen, was sich dieser nicht zweimal sagen ließ. Obwohl die Frauen die Säcke nur mit Laub füllten, trug sie der Mann doch eine weite Strecke. Als sie ihm aber zu schwer wurden, schüttete er das Laub aus. Doch blieben in jedem Sacke einige Blätter, die er später als reines Gold erkannte. So oft er auch später die Stelle wieder aufsuchte, wo ihm das Glück so gelächelt hatte, die Frauen sah er nie wieder.
Am Palmsonntage ging eine Frau mit ihrem kleinen Kinde in derselben Gegend spazieren und kam zu einer Thür, die sie noch nie
gesehen hatte. Neugierig versuchte sie die Thür zu öffnen, was ihr auch gelang. Sie trat in ein einfaches Zimmer, in dessen Mitte ein Tisch mit Geld stand. Während sie das Kind auf den Tisch setzte, raffte sie schnell
das Geld zusammen und trug es hinaus. Hier sah sie aber nur Laub in ihrer Schürze und fand, als sie ihr Kind wieder holen wollte, die Thür verschlossen. Ein Priester, den sie in ihrer Verzweiflung um Rat fragte, schalt sie ihrer Habsucht wegen und sagte ihr, daß sie in einem Jahre genau um dieselbe Stunde wieder bei der Thür warten müsse, bis sich
diese öffne. Sie that dies und fand auch wirklich ihr Kind, mit roten Äpfeln spielend, die sich im Freien in Goldklumpen verwandelten.
Ergänzung von Rainer Müller
Diese "Raubritterburg" wurde erbaut in der Ottonenzeit vom Ritter Hahn. Der hatte von Kaiser Otto das erste Ritterslehen bekommen im Oberen Erzgebirge. Dieses Lehen reichte vom Großen Hahnberg (heute der Kirchberg von Oberneuschönberg) bis zum Kleinen Hahnberg (heute die Ortschaft Kleinhan). Der Ritter Hahn stammt sehr wahrscheinlich aus Niedersachsern. Seine Begleiter brachten noch heute existierende Nachnamen mit - z.B. "Otto", "Zenker" und besonders auch "Ihl(e)". "Ihl(e)" kommt von dem Flussnamen Ihle (Lesum) bei Bremen. Die Ihle-Ritter hinterließen ihren Namen die Elbe hinauf - z.B. Ihleburg bei Magdeburg; evtl. wurde die Eilenburg auch von den Ihle-Rittern mal gegründet ... Kürzlich fand ich in dem Zusammenhang auch bei der Nachforschung zur Herkunft des Ortsnamens "Zöblitz" - unterhalb Zöblitz wurde ja mal auch in der Ottonenzeit früh eine Rittersburg im Schwarzwassertal gebaut, was ja nicht weit entfernt ist vom Natschungtal - : Die alte Kaiserstadt Quedlinburg wurde ursprünglich "Quit-Linda" genannt UND unweit davon - wo die Havel in die Elbe mündet - gab es damals auch schon Quitzöbel. These dazu: Eine Rittersdame namens Linda hatte einen Bruder (oder so) namens Zöbel, der die Elbe hoch bis ins Schwarzwassertal zog, um dort seine Stadt Zöb(e)litz zu gründen ...