Mannesmann - Der Sudetendeutsche Heimatkreis Komotau

Der Sudetendeutsche Heimatkreis Komotau
Start: 24.01.2002
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Mannesmann

NEUHEITEN
Die Mannesmann- Röhrenwerke in Komotau

von Helmut Mürling

unter Verwendung von Auszügen aus "75 Jahre Mannesmann 1890- 1965", der Dokumentation von Ernst Ladek in der Komotauer Zeitung April bis November 2006 und Prof. Dr. Horst A. Wessel, Mannesmann-Archiv Mülheim

Die Komotauer Mannesmannwerke sind eine logische Fortentwicklung der Ideen Ritter von Gerstners. An seinem Geburtsort wurde in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts das Mannesmann- Röhrenwerk errichtet.
Wenn die Rede auf "Mannesmann" kam, sprach meine Grossmutter immer nur vom "Eisenwerk". Im Unterbewusstsein hatte sie wohl immer noch die "Erzgebirgische Eisen und Stahlhütte" ihrer Jugend (um 1880) vor Augen. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch war "Mannesmann" immer nur "das Eisenwerk" Wir "Gunge" durften zwar nie hinein. Doch war uns sein Fluidum vertraut: Laufende Maschinen, kreischende Eisensägen, der Krach, den fallendes Metall macht, der "Dompfhommer". Auch der ständige Staub, den meine Mutter alle paar Tage von den Möbeln wischen mußte, sind in wacher Erinnerung. Die Fertigprodukte verließen "das Werk" auf offenen Waggons mit der Bahn, unten auf Michanitz zu. Bevor man Michanitz erreichte, mußte man noch das Bockelbähnle überqueren, das den Abraum vom Juliusschacht  auf die nahe Aschenhalde beförderte. Auch die noch glühenden Kohlen von den Hochöfen wurden von Loren dort abgekippt. Meine Großmutter und meine Mutter lasen dann unten die noch unverbrauchten Kohlen auf, um sie in den Vorratsschuppen zu bringen. So sparten wir uns den Kauf von Kohle für den Koch- und Heizherd.
Vom Juliusschacht ging eine Drahtseilbahn ins Eisenwerk, die Braunkohle, die Energie des Werkes, hinüber beförderte.
Beidseits der Straße befanden sich Bingen, Wasserlöcher, die vom Untertagebau des Juliusschachtes herrührten. Am östlichen Ortsrand von Michanitz befand sich ein Wetterschacht, die "Lunge" des Bergwerkes.
        Liebe Leser, entschuldigen Sie bitte diese etwas längere Vorrede. Doch diese Dinge sind für mich die Erinnerungen meiner frühesten Kindheit.
        Helmut Mürling, Internet- Sachbearbeiter





Die "Erzgebirgische Eisen- und Stahlgesellschaft"

Bis 1868 arbeiteten bei Komotau einige Eisenschmelzbetriebe, welche den im Kaadner Bezirk gewonnen Eisenstein verhütteten. Die Werke wurden mit Holz beheizt und konnten  deshalb den Kosten nicht standhalten. Die Braunkohle konnte technisch noch nicht zum Schmelzprozess verwendet werden.
Im Jahre 1869 gründeten Prager und Wiener Investoren auf dem späteren Gelände des Mannesmannwerkes die "Erzgebirgische Eisen und Stahlgesellschaft" in Komotau.
Um 1870 erfolgte der Bau der Werksanlagen im Gottesackerviertel (Gutsackervertl) mit Puddelhütte, Walzhütte, Giesserei, Dreherei und Schmiede. Ein Gleis führte zum Bushtierader Bahnhof (dem späteren Hauptbahnhof). Die Produktpalette umfasste in der Dreherei bearbeitete Geschützmunition, Schweisseisen, Bleche und Drähte. Aus Dux wurden täglich  zwanzig Waggon Kohle antransportiert.
1874 ging die Gesellschaft in Konkurs. Der neue Besitzer, die Firma Hardt & Co. legte die Anlage still. Später wurde die Gießerei und Dreherei an die Firma Brandeis verpachtet.

Die Familie Mannesmann:

Henrich Mannesmann, ein Vorfahre , eröffnete 1775 bei Remscheid eine Feilenschmiede. Reinhard Mannesmann senior lebte von 1814- 1894. Dieser übernahm 1835 die Feilenschmiede mit seinen Brüdern Arnold, Robert und Richard und entwickelte den Betrieb zu einer Feilenfabrik. Reinhard holte sich die besten Feilenschmiede, Hauer, Ausglüher und Härter zu sich und baute die Produktion auf. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Auf den Weltausstellungen in London und Paris erhielt Mannesmann die Goldmedaille für seine Feilen.
Reinhard sen. erkannte die Notwendigkeit, im aufkommenden Zeitalter der Technik seinen Söhnen ein Technikstudium zukommen zu lassen. Reinhard Mannesmann junior (1856-1922) und Max Mannesmann (1857- 1915), die beiden ältesten Söhne Reinhards hatten die technische Begabung ihres Vaters geerbt.
Schon bald nach ihrem Studium meldeten sie ihr erstes Patent an. Sie nannten ihre Erfindung "Schrägwalzverfahren nebst zugehörigem Walzwerk". Die Patentschrift wurde von ihrem Vetter, dem Philosophen Dr. F. Kögel meisterhaft ausgearbeitet und beim kaiserlichen Patentamt in Berlin am 17.1.1885 das Patent beantragt.
Am 10. März 1886 wurde erteilte das Patentamt den Patentschutz unter der Nummer 34617. Bei den Mitbewerbern fand die Erfindung keinerlei Beachtung. So konnte man die Versuche ohne Zeitdruck von aussen unbehelligt weiterführen. Das Geheimnis konnte noch eine Weile gewahrt werden.
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Werk Komotau                                                                                                    Walzhalle

Über die Erfindung der Mannesmann- Röhren wird eine Geschichte erzählt. Sie könnte in das Reich der Legenden gehören, wäre nicht ein Körnchen Wahrheit dabei.

An einem Sonntag saß die Familie Mannesmann beim Nachtisch. Da kam Herrn Mannesmann, dem Älteren, eine auf dem Tisch liegende Brotkrume in die Hand und achtlos begannen die Finger diese zu kneten und zu rollen. Plötzlich aber blieb sein Blick an dem Klumpen, den die Finger gebildet hatten, haften. Beim Rollen hatte sich ein Röhrchen gebildet. Es überraschte ihn dabei, daß man aus einer zusammenhängenden Masse eine Röhre rollen könne. Andere hätten nur ein zufälliges Gebilde  gesehen. Mannesmanns reger Geist aber vermutete sofort die notwendige Folge einer mechanischen Einwirkung unter bestimmten Umständen.

Jetzt wiederholte er das Spiel mit bewußter und aufmerksamer Absichtlichkeit; es gelang ihm nicht immer, ein Röhrchen herzustellen, bis er entdeckte, daß die Finger, wenn es gelingen sollte, die Teignudel nicht nur rollen, sondern auch in bestimmter Weise vorwärts schieben mußten. Diese scheinbar unbedeutende Erkenntnis ließ ihn nicht mehr los und plötzlich schoß ihm der Gedanke in den Sinn, daß man so auch den bildsamen Metallteig zu Röhren ausrollen könnte. So war das Spiel mit den Brotkrumen die Erfindung der Mannesmann- Röhren vollzogen.

Gründung des Werkes Komotau.

Reinhard Mannesmann, der Vater, war von der Erfindung seiner Söhne überzeugt und gründete mit der Fa. Hardt & Co.  eine Kommanditgesellschaft. Bereits 1886 wurde das Gelände südöstlich des Gutsackerviertels aufgekauft. Die vorhandenen Bauten wurden durch eine Fertigungshalle und Presshalle erweitert. Das Magazin- und Bürogebäude wurden um zwei Stockwerke erhöht für Büro und Wohnung der Herren Mannesmann.
Die Brüder Max und Reinhard Mannesmann begannen 1888 in Komotau mit der Umsetzung ihrer Idee, nahtlose Stahlrohre aus einem vollen Block zu walzen. Dies war Ursprung des Unternehmens, das am 16.7.1890 gegründet wurde. Die Patente, die die Brüder Mannesmann erworben hatten, wurden vom deutschen Reichsgebiet auf Österreich Ungarn ausgeweitet. Komotau gehörte damals zu der Donaumonarchie. Für das österreichiche Geschäft wurde das Röhrenwalzwerk Komotau gegründet.
Friedrich Siemens war von Anfang an ein begeisterter Förderer des Komotauer Unternehmens. Er beteiligte sich bei der Gründung mit 1 Million Gulden. Das war für die damalige Zeit eine ungeheuere Summe. Das Unternehmen wurde offiziell am 16.7.1890 unter dem Namen Deutsch- Österreichische Mannesmann- Röhrenwerke gegründet. Das Gesamtkapital betrug 2 Mill. Gulden. Die Brüder Mannesmann übernahmen zunächst selbst die Firmenleitung, Friedrich Siemens den Vorsitz im Aufsichtsrat.
Nachdem die Produktion eingerichtet worden war, wurde bereits am 26.Juli 1888 im Beisein staatlicher und städtischer Behördenvertreter das erste Stahlrohr in Komotau gewalzt. Dabei handelte es sich, wie das „Deutsche Volksblatt Komotau" berichtete, um ein 5,5 m langes Stahlrohr mit 100 mm Durchmesser, das innerhalb von nur zehn Sekunden gewalzt wurde. Trotz dieses glänzenden Belegs für die Brauchbarkeit des revolutionären Verfahrens gab es große Schwierigkeiten bei der Auswalzung der auf der Schrägwalze gefertigten dickwandigen Hohlkörper zu dünnwandigen, marktfähigen Rohren. Die Lösung brachte eine zweite große Erfindung, das Pilgerschrittverfahren von Max Mannesmann. Dieses Verfahren wurde in Komotau entwickelt, und zwar von den Erfindern selbst unter Mitwirkung ihres Chefkonstrukteurs Rudolf Bungeroth, der dazu von Remscheid nach Komotau beordert worden war.
Siegfried Blau hatte Alfred Mannesmann als technischer Leiter im Jahre 1893 abgelöst. Julius Franken war seit 1.7.1892 kaufmännischer Direktor.


Das Schrägwalzverfahren und das Pilgerschrittverfahren.
mit freundlicher Genehmigung von Mannesmann Archiv Mülheim /Rh.

Wie funktioniert das Mannesmann-Verfahren zur Herstellung nahtloser Stahlrohre?

Als Mannesmann-Verfahren wird das Schrägwalzen, lange Zeit in Kombination mit dem Pilgerwalzen, bezeichnet. Beide Techniken wurden von den Brüdern Reinhard und Max Mannesmann Ende des 19. Jahrhunderts erfunden.

Das Schrägwalzverfahren wurde 1886 patentiert. Es ermöglichte erstmals, aus einem massiven Stahlblock einen dickwandigen nahtlosen Hohlkörper herzustellen. Dafür wird der Stahlblock auf 1200 bis 1300 Grad erhitzt und zwischen zwei Walzen geführt, die schräg zueinander angeordnet sind und den gleichen Drehsinn haben. Damit Schrägwalzverfahrenarbeiten Walzen und das dazwischenliegende Walzgut wie eine Art Getriebe, bei dem das Walzgut schraubenlinienförmig zwischen den Walzen hindurch transportiert wird. Dem Walzgut wird ein Dorn entgegengestellt, der sich über eine frei drehbare Stange auf der Auslaufseite des Schrägwalzwerkes abstützt. Das Walzgut wird durch die Walzen über diesen Dorn gewalzt und damit gelocht. Vor der Dornspitze erfährt das Walzgut im Kern, bedingt durch die Rotation, wechselnde Zug- und Druckbeanspruchungen, die zur Auflockerung führen und so die Dornarbeit ermöglichen.

Den Brüdern Mannesmann war in den 1880er Jahren beim Walzen von Vormaterial für die Feilenherstellung aufgefallen, dass schräg stehende Walzen zu einer Kernlockerung und einem Aufreißen des Stahlblocks führen können. Durch die kühne Idee, dieses Phänomen systematisch zu nutzen, gelang es ihnen, zunächst allein durch Walzen, aus einem massiven Block einen Hohlkörper herzustellen. Jedoch setzten sie bald zur Unterstützung des Walzvorgangs einen Glättdorn ein, um das Aufreißen des Hohlblocks gleichmäßiger zu gestalten. In den seitdem vergangenen über einhundert Jahren ist das Verfahren so optimiert worden, dass ein Aufreißen des Stahlblocks vermieden wird und durch die Dornarbeit ein Hohlkörper mit einer möglichst regelmäßigen Innenoberfläche entsteht.

Der auf diese Art hergestellte dickwandige Hohlkörper war noch nicht als Rohr marktfähig. Anfang der 1890er Jahre entwickelte Max Mannesmann daher das Pilgerschrittverfahren, das den im Schrägwalzwerk entstandenen Hohlblock zu einem Rohr von großer Länge und mit geringer Wanddicke auswalzt. Im Pilgergerüst befinden sich zwei Pilgerschrittverfahrenübereinander angeordnete, konisch kalibrierte Walzen, die entgegen der Walzrichtung betrieben werden, zwischen sie wird der dickwandige Hohlblock auf einem zylindrischen Dorn eingeführt. Das sogenannte Pilgermaul erfasst den Hohlblock und drückt von außen eine kleine Werkstoffwelle ab, die anschließend vom Glättkaliber auf dem Pilgerdorn zu der vorgesehenen Wanddicke ausgestreckt wird. Entsprechend dem Drehsinn der Walzen wird hierbei der Pilgerdorn mit dem darauf befindlichen Hohlblock nach rückwärts – also gegen die Walzrichtung – bewegt, bis das Leerlaufkaliber das Walzgut frei gibt. Bei gleichzeitiger Drehung wird das Rohr um ein weiteres Stück zwischen die Walzen gebracht, der Walzvorgang beginnt von neuem.

Durch ein mehrfaches Überwalzen jedes Rohrbereichs wird eine gleichmäßige Wanddicke und Rundheit des Rohres erreicht. Am Schluss wird das Rohr vom Pilgerdorn abgezogen und die unsauberen Rohrenden werden abgetrennt. Die Bewegung des Rohrs bei diesem periodischen Walzvorgang – vor, zurück und wieder vor – ähnelt der Bewegung bei der Echternacher Springprozession, daher der Name "Pilgern".



Technik des Pilgerschrittverfahrens

Das Werk Komotau hatte am österreichischen Markt einen Anteil von 35%. Die k.u.k. Armee war Hauptabnehmer. Kritisch war die Lage für das Werk in den Tagen nach dem 1. Weltkrieg. Aus den leitenden Beamten, Angestellten und Arbeitern stellte man eine ständige Werkswache auf. Das Komotauer Werk wurde im Jahre 1907 rechtlich eigenständig.
1938, nach dem Anschluß des Sudetenlandes kam schließlich das Komotauer Werk wieder zur Muttergesellschaft nach Düsseldorf.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde gemäß Kontrollratsgesetz Nr. 5 das gesamte Auslandsvermögen sämtlicher Unternehmen enteignet.
Das Mannesmannwerk wurde in den 60 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stark erweitert. Nahezu das gesamte Gutsackerviertel wurde eingeebnet. Dort, wo früher Badgasse, Gabelsberger Straße, Lessingstraße, Gärtnergasse, Weinberggasse, Kreuzgasse, Partschgasse waren, stehen heute Werkshallen. Der Werkseingang befindet sich heute etwa auf Höhe der ehemaligen Gabelsberger Strasse.
Im Jahre 2005 waren nur noch etwa 200 Beschäftigte im Werk.



Das einstige "Gutsackerviertel" wurde 1960 und den Folgejahren abgerissen um das
Mannesmannwerk zu erweitern. Im Jahre 1990 wurde das 100jährige Bestehen des Werkes noch ausgiebig gefeiert, obwohl es mit der Vertreibung nicht mehr Mannesmann gehörte. Die Feier hatte eigentlich nur historischen Wert.
Heute werden in dem Werk große Heizungsanlagen zur Energieversorgung ganzer Städte und Stadtteile hergestellt.
Der Juliusschacht, nahe der Eidlitzer Straße, förderte untertage Braunkohle zur Energieversorgung des Röhrenwerkes. Im Laufe der Jahrzehnte brachen die Äcker darüber ein und in den entstandenen Erdlöchern bildeten sich Dolinen. Das Dorf Michanitz war deshalb total unbewohnbar geworden.
In den letzten Jahren konnte man die Stadt Komotau über die App´s Google Earth ansehen und die Fortschritte in Wiederaufbau und Verschönerung aus der Vogelperspektive, wie auch am Erdboden bewundern. Leider war bis vor kurzem der Anblick vom Mannesmann- Werk verwehrt. Am Außenzaun legte sich ein virtueller grauer Schleier über das Werksgelände. Was die Höhenansicht betrifft, ist dies jetzt nicht mehr.
Die Satellitenaufnahmen offenbaren dem aufmerksamen Beobachter, daß die einstigen Dolinen (Pingen) teilweise zugeschüttet wurden, aber auch als Teiche weiterbestehen. Die Werkshallen aus der Zeit der Brüder Mannesmann gibt es nicht mehr. Die riesige Halle im Vordergrund bedeckt praktisch das halbe Gutsackerviertel.
Auf den gewonnenen Landflächen auf Michanitz zu bestehen z.Zt. riesige Photovoltaikanlagen. Auch die Hallendächer sind mit Sonnenkollektoren bestückt. Ob zur Strom- oder Wärmeerzeugung ist nicht erkennbar. Nachdem das Werk Wärmetechnik produziert scheint das letztere wohl sinnvoll.
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