Eine Kirche zieht um - Der Sudetendeutsche Heimatkreis Komotau

Der Sudetendeutsche Heimatkreis Komotau
Start: 24.01.2002
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Eine Kirche zieht um

KIRCHEN + SYNAGOGEN AUSSERHALB
Die Kirche steht heute frei am Rande der Tagebaugrube

Die Dekanalkirche
Mariä Himmelfahrt in Brüx
nach dem Buch von Friedrich Oswald und Wikipedia
Webmaster Helmut Mürling besuchte während eines Aufenthaltes in der Heimat am 7.7.2012 die Kirche "Mariä Himmelfahrt" in Brüx (Most). Die Eindrücke waren überwältigend.

Unweit der ehemaligen Stadt Brüx, dem heutigen Most, steht die Kirche Mariä Himmelfahrt. Jahrhunderte lang war sie Wahrzeichen der deutschen Stadt Brüx, gelegen zwischen Erzgebirge und Böhmischen Mittelgebirge. Seit langer Zeit wurde hier Braunkohle abgebaut, meist in umweltschonendem Untertagebau. Zahlreiche Fördertürme und Bergwerksanlagen beherrschten das Stadtgebiet. Die Stadt Brüx selbst stand auf einem mächtigen Braunkohleflöz. Durch die Vertreibung der Sudetendeutschen standen viele Häuser leer. Es war deshalb ein Leichtes, diese abzureißen, um Raum für den oberirdischen Tagebau zu schaffen. Die ganze Stadt wurde ausgelöscht, abgerissen. Zahllose Kulturgüter vernichtet. Ein besonders wertvolles Juwel aber war die Stadtkirche zur Maria Himmelfahrt. Nach Protesten der Bevölkerung wurde sie in den 1970er Jahren als ganzes Bauwerk in einem Stück um 841 Meter verschoben.
Lesen sie die Geschichte :

Das hätte sich der Schweinfurter Baumeister Jakob Heilmann nicht im Traum einfallen lassen: Sein im Jahre 1517 begonnener Kirchenbau mußte 1975 dem Braunkohlebergbau weichen. Immerhin während der historischen Stadt Brüx der Abriß bevorstand, blieb der Dekanatskirche dieses Schicksal erspart. Sie wurde "einfach"im Ganzen um exakt 841 Meter nach Osten versetzt.
Die Kirche hat eine reiche Geschichte.  Sie ist eine spätgotische Hallenkirche in süddeutschem Stil, erbaut nach einem verheerenden Stadtbrand um 1515. Den Entwurf der dreischiffigen Hallenkirche führte  Baumeister Jörg von Maulbronn aus. Baumeister Jakob Heilmann aus Schweinfurt und seine Nachfolger bauten die Kirche von 1517 und 1594. Ein Meister "Peter" schuf die Gewölbe. Diese einzigartigen Schleifensterngewölbe der Kirche werden von 14 achteckigen Pfeilern getragen.
Die Kirche ist 60 Meter lang und 30 Meter breit, hat einen Westturm mit Umgang und eine einfache Fassade mit zwei Fensterreihen. Nur der Westturm, heute Nordturm, war von dem Vorgängerbau von 1260 erhalten geblieben. Der Bau wurde durch freiwillige Spenden der Bürger und Zünfte finanziert. Nach Bränden wurde sie mehrfach restauriert und in den Jahren 1880-83 regotisiert.
Die Kirche am alten Standort der Innenstadt von Brüx; im Hintergrund der Schloßberg
Die Innenausstattung ist reichhaltig. Nach 1549 entstanden die Renaissanceportale, die Emporenreliefe mit biblischen Szenen, das westliche Treppenhaus und die Turmhaube. Das Bild des barocken Hochaltares ist ein Werk von Josef Kramolin von  1735-39. Von der ursprünglichen Kirche blieb das Bild der Madonna von Brüx erhalten, ein Werk der böhmischen Malerschule aus dem 1. Jh. Die innere Ausstattung erfolgte in der 2. Hälfte de 18. Jh. im Stil des Historismus. Die Unterkirche besteht aus einer mittelalterlichen Krypta und einem großen Ausstellungsraum aus Stahlbeton, aus der Zeit der Verschiebung stammend.

Die Vorgeschichte:

Schon vor 1945 gab es bei Brüx Tagebaue. Sie reichten von Osten her bis an die Stadtgrenze heran. Tatsächlich aber stand die Stadt Brüx zu 2/3 auf einem mächtigen Kohlenflöz. Bis 1945 aber wäre es niemandem eingefallen, die Stadt abzureißen, um an die Kohle zu kommen. Die Prager Regierung aber sah das anders. Vergleichsrechnungen ergaben, daß es zu teuer sei die etwa 90- 100 Millionen Tonnen Braunkohle im Tiefbau abzubauen. Der errechnete Gewinn sollte 1,5 Millarden Kronen betragen.

Im April 1964 wurde der Abriß von Alt- Brüx beschlossen, ein Jahr später begann er. Der Kalte Krieg war im Gange. Man brauchte die Energie, die Kohle lieferte in jeglicher Form. Im nahen "Hermann Göring- Werk" von Maltheuern (heute Zaluzi), dem späteren "Stalin- Werk" wurde Braunkohle zu Autokraftstoff verflüssigt. Grund für die Regierung aus Prag genug, die Stadt Brüx platt zu machen.  Die noch vorhandene Bevölkerung protestierte gegen den Abriß, insbesondere gegen den der historischen Dekanalkirche. Nur auf Druck der Öffentlichkeit wurde 1971 dann die Rettung der Kirche durch Transfer beschlossen. Das Bauwerk sollte im Ganzen  um eine erhebliche Distanz versetzt werden. Ins Licht der Öffentlichkeit jedoch geriet das Bauwerk also  nicht wegen seiner eleganten Architektur, als vielmehr wegen einer der aufwändigsten Denkmalsschutzaktionen der Geschichte.   

Die Durchführung:
Die Verschiebungsaktion

Nach umfangreichen Vorplanungsarbeiten wurde dann im Jahre 1975 das einzigartige Vorhaben umgesetzt. Man packte das Bauwerk in ein Stahlkorsett, es wurden Schienen gelegt und der 60 Meter lange Bau mit einer Geschwindigkeit von 120 cm pro Stunde um 841 Meter nach Osten bewegt. Im Filmsaal der Krypta kann man die Aktion noch heute bestaunen. Zuletzt drehte man daselbe noch um 90 Grad, so daß der Hauptaltar heute nach Süden und nicht mehr, wie ursprünglich, nach Osten steht.  Der Turm allerdings mußte konventionell abgebaut und wiedererrichtet werden. Auch die Inneneinrichtung mußte abgebaut werden. Das Bauwerk wurde auf 53 Meter breite Walzen, die wiederum auf vier schweren Stahlträgern langsam weiter rollten. Die hinten abgebauten Schienen wurden vorn wieder angebaut. Die technischen Anlagen lieferte Skoda in Pilsen. Die Aktion begann am 30. September 1975 und war am 23. Oktober 1975 beendet. Nach Abschluß stellte man den Erfolg der Aktion fest. Die Kirche war  intakt geblieben und konnte weiterhin als solche dienen.


Gewicht der Kirche 17.000 t

Gewicht der Bodenplatte 24.000 t

Gesamtgewicht 40.000 t

Die Kosten trug die UNESCO.


Sie ist heute noch, nach meiner Ansicht, in einem baulich guten Zustand. Sie wurde aber nur als Museum genutzt. Auch die hervorragende Akustik legte eine Nutzung als Konzertsaal nahe.
Nach der Wende wurde das Gotteshaus an die Kirche zurück gegeben. Am 19.Juli 1993 weihte sie Bischof Josef Koukl von Leitmeritz wieder.
Hier stand Brüx. Ergebnis von 50 Jahren "erfolgreicher" Planwirtschaft. Im Hintergrund das Werk Maltheuern, in dem nach dem 2. Weltkrieg deutsche Männer zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden
Das alte Brüx aber wurde abgerissen, die Braunkohle abgebaut und die Stadt Most, das neue Brüx, östlich unterhalb des Schloßberges neu errichtet.
Brüx und Most heißen auf Deutsch und tschechisch "Brücke". Möge die Kirche Mariä Himmelfahrt eine Brücke zu einer neuen schöneren Welt bedeuten, ohne Zank, Streit und Nicht- Einhaltung der Menschenrechte (Vertreibung).

Helmut Mürling
Die Dekanalkirche
an ihrem ursprünglichen
Standort
Die Verschiebe- Aktion
Am "Kirchplatz"
Taufstein
Die Hallenkirche
Das einzigartige Kreuzgewölbe
Barockorgel
Hochaltar
Grabmal der Familie Weitmühl
Epitaph
Die reichen Kirchenfenster mit Glasmalereien
Umgangsrelief der Empore
Umgangsrelief der Empore
Altarbilder
Altarbilder
Das alte Brüx etwa um 1925
Hier stand Brüx. Ergebnis von 50 Jahren "erfolgreicher" Planwirtschaft. Im Hintergrund das Werk Maltheuern, in dem nach dem 2. Weltkrieg deutsche Männer zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden
MOST – eine Stadt mit Vision in Nordböhmen   
von Jutta Benesova

Als der Alchimist Edward Kelly 1597 im Burggefängnis auf der Landeswarte bei Brüx am Abend vor seinem Freitod in das Tal auf die unter ihm liegende Königsstadt schaute, rief er mit hasserfüllter Stimme ob des Unrechts, das ihm hier widerfahren war: „Möge diese Stadt für immer vom Erdboden verschwinden!“
Dass sich dieser Fluch eines Tages erfüllen sollte, ahnte wohl niemand, der in der einst blühenden Handelsstadt, die 1273 durch König Přemysl Ottokar II. zur „königlichen Stadt“ erhoben wurde, lebte und wirkte. Und dennoch endete diese ungewöhnliche und faszinierende Stadt Brüx nach mehr als sieben Jahrhunderten als ewiger Verlust durch ihren Abriss. Sie wurde in den 1960er Jahren der Kohlenindustrie geopfert, die in den folgenden Jahrzehnten die einst blühende nordböhmische Landschaft in ein schmutziges, ungesundes Bergbau- und Industriegebiet verwandelte. Und dennoch lebten und arbeiteten hier Tausende von Menschen, gesundheitlich und moralisch schwer gezeichnet durch die harten Lebensbedingungen.
Unterdessen sind weitere sechzig Jahre ins Land gegangen, in denen die Bewohner die neu erbaute Stadt Most als ihre Heimat angenommen haben und versuchen, dem zu Unrecht schlechten Ruf ihrer Stadt zu trotzen und wie Phönix aus der Asche in neuer und moderner Form Stadt und Umgebung erstehen zu lassen. Darüber berichtet die erst kürzlich erschienene Publikation MOST – eine Stadt mit Vision in Nordböhmen. Hierbei ist es wiederum der Kunst des Fotostudios H der Familie Hájek in Aussig zu verdanken, dass sich vor den Augen des Lesers eine völlig neue Stadt zeigt, nun an der anderen Seite des Schlossbergs, auf dem sich besagte Landeswarte erhebt, während das Territorium der einstigen Stadt Brüx, ihres Reichtums und der Bodenschätze beraubt, in einem riesigen See versinkt, auf dessen Oberfläche sich nun die umliegenden Weinberge und Hügel des Böhmischen Mittelgebirges widerspiegeln. Die einst vom Bergbau zerwühlten Fluren sind rekultiviert und bieten moderne Sport- und Parkanlagen. Etliche, vor allem barocke und Renaissance-Denkmale, Skulpturen und vor allem die gotische Mariä Himmelfahrtkirche, die einst von deutschen Bewohnern zum Ansehen ihrer Stadt Brüx errichtet worden war, konnten gerettet werden und bilden nun einen gelungenen Kontrast zur modernen Architektur der städtischen Bebauung. Dadurch wird im wahrsten Sinne des Wortes eine Brücke – Brüx und (tsch.) Most – zwischen Alt und Neu geschaffen.
Auf ca. 140 Seiten mit teilweise doppelseitigen, faszinierenden Fotos erleben wir diese moderne und junge Stadt, die beiden neuen Stadtplätze mit Theater und Rathaus, auf denen sich Barockbrunnen und die Statue des Hl. Nepomuk erheben, Naherholungsgebiete mit den Seen aus gefluteten Bergbaugruben, ein neu errichteter Aussichtturm auf einem der nahen Hügel, Weinberge, aber auch eine Pferderennbahn und eine Autorennstrecke, auf den ehemaligen Halden errichtet; natürlich auch zahllose Plattenbausiedlungen, die aber hier in dieser modernen Stadt bei weitem nicht so störend wirken, wie in unseren alten historischen böhmischen Städten – dennoch fehlt es auch nicht an historischen Aufnahmen der alten Stadt Brüx, die ehemalige Bürgerschule, der dicht bebaute alte Stadtkern, das Stadttheater und das Minoritenkloster. Auch sind vom alten Brüx am Stadtrand einige Gebäude erhalten geblieben, z.B. das vierstöckige Jugendstilgebäude des ehemaligen deutschen Realgymnasiums, worin sich heute das Regionalmuseum mit der Galerie der Stadt Most befindet.
Altes ist vergangen, Neues entsteht. „Die Geschichte von Brüx auf seinem historischen Territorium endet damit. Die Jahrhunderte andauernde Existenz der größten der Königsstädte Böhmens am Fuße des Erzgebirges wurde gewaltsam beendet. In ihrer Nähe entsteht nun allmählich eine neue Stadt, deren Erscheinungsbild, das ihr in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts gegeben wurde, weiter vollendet wird.“ Mit diesen Worten endet die dreisprachig (tsch., engl. dtsch.) gestaltete
Publikation und führt die Geschichte, die mit einem Fluch begann, sinnbildlich zu einem hoffnungsvollen Ende.
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