

Die Familie Mannesmann:
Henrich Mannesmann, ein Vorfahre , eröffnete 1775 bei Remscheid eine Feilenschmiede. Reinhard Mannesmann senior lebte von 1814- 1894. Dieser übernahm 1835 die Feilenschmiede mit seinen Brüdern Arnold, Robert und Richard und entwickelte den Betrieb zu einer Feilenfabrik. Reinhard holte sich die besten Feilenschmiede, Hauer, Ausglüher und Härter zu sich und baute die Produktion auf. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Auf den Weltausstellungen in London und Paris erhielt Mannesmann die Goldmedaille für seine Feilen.
Reinhard sen. erkannte die Notwendigkeit, im aufkommenden Zeitalter der Technik seinen Söhnen ein Technikstudium zukommen zu lassen. Reinhard Mannesmann junior (1856-1922) und Max Mannesmann (1857- 1915), die beiden ältesten Söhne Reinhards hatten die technische Begabung ihres Vaters geerbt.
Schon bald nach ihrem Studium meldeten sie ihr erstes Patent an. Sie nannten ihre Erfindung "Schrägwalzverfahren nebst zugehörigem Walzwerk". Die Patentschrift wurde von ihrem Vetter, dem Philosophen Dr. F. Kögel meisterhaft ausgearbeitet und beim kaiserlichen Patentamt in Berlin am 17.1.1885 das Patent beantragt.
Am 10. März 1886 wurde erteilte das Patentamt den Patentschutz unter der Nummer 34617. Bei den Mitbewerbern fand die Erfindung keinerlei Beachtung. So konnte man die Versuche ohne Zeitdruck von aussen unbehelligt weiterführen. Das Geheimnis konnte noch eine Weile gewahrt werden.

Über die Erfindung der Mannesmann- Röhren wird eine Geschichte erzählt. Sie könnte in das Reich der Legenden gehören, wäre nicht ein Körnchen Wahrheit dabei.
An einem Sonntag saß die Familie Mannesmann beim Nachtisch. Da kam Herrn Mannesmann, dem Älteren, eine auf dem Tisch liegende Brotkrume in die Hand und achtlos begannen die Finger diese zu kneten und zu rollen. Plötzlich aber blieb sein Blick an dem Klumpen, den die Finger gebildet hatten, haften. Beim Rollen hatte sich ein Röhrchen gebildet. Es überraschte ihn dabei, daß man aus einer zusammenhängenden Masse eine Röhre rollen könne. Andere hätten nur ein zufälliges Gebilde gesehen. Mannesmanns reger Geist aber vermutete sofort die notwendige Folge einer mechanischen Einwirkung unter bestimmten Umständen.
Jetzt wiederholte er das Spiel mit bewußter und aufmerksamer Absichtlichkeit; es gelang ihm nicht immer, ein Röhrchen herzustellen, bis er entdeckte, daß die Finger, wenn es gelingen sollte, die Teignudel nicht nur rollen, sondern auch in bestimmter Weise vorwärts schieben mußten. Diese scheinbar unbedeutende Erkenntnis ließ ihn nicht mehr los und plötzlich schoß ihm der Gedanke in den Sinn, daß man so auch den bildsamen Metallteig zu Röhren ausrollen könnte. So war das Spiel mit den Brotkrumen die Erfindung der Mannesmann- Röhren vollzogen.
Gründung des Werkes Komotau.
Reinhard Mannesmann, der Vater, war von der Erfindung seiner Söhne überzeugt und gründete mit der Fa. Hardt & Co. eine Kommanditgesellschaft. Bereits 1886 wurde das Gelände südöstlich des Gutsackerviertels aufgekauft. Die vorhandenen Bauten wurden durch eine Fertigungshalle und Presshalle erweitert. Das Magazin- und Bürogebäude wurden um zwei Stockwerke erhöht für Büro und Wohnung der Herren Mannesmann.
Die Brüder Max und Reinhard Mannesmann begannen 1888 in Komotau mit der Umsetzung ihrer Idee, nahtlose Stahlrohre aus einem vollen Block zu walzen. Dies war Ursprung des Unternehmens, das am 16.7.1890 gegründet wurde. Die Patente, die die Brüder Mannesmann erworben hatten, wurden vom deutschen Reichsgebiet auf Österreich Ungarn ausgeweitet. Komotau gehörte damals zu der Donaumonarchie. Für das österreichiche Geschäft wurde das Röhrenwalzwerk Komotau gegründet.
Friedrich Siemens war von Anfang an ein begeisterter Förderer des Komotauer Unternehmens. Er beteiligte sich bei der Gründung mit 1 Million Gulden. Das war für die damalige Zeit eine ungeheuere Summe. Das Unternehmen wurde offiziell am 16.7.1890 unter dem Namen Deutsch- Österreichische Mannesmann- Röhrenwerke gegründet. Das Gesamtkapital betrug 2 Mill. Gulden. Die Brüder Mannesmann übernahmen zunächst selbst die Firmenleitung, Friedrich Siemens den Vorsitz im Aufsichtsrat.
Nachdem die Produktion eingerichtet worden war, wurde bereits am 26.Juli 1888 im Beisein staatlicher und städtischer Behördenvertreter das erste Stahlrohr in Komotau gewalzt. Dabei handelte es sich, wie das „Deutsche Volksblatt Komotau" berichtete, um ein 5,5 m langes Stahlrohr mit 100 mm Durchmesser, das innerhalb von nur zehn Sekunden gewalzt wurde. Trotz dieses glänzenden Belegs für die Brauchbarkeit des revolutionären Verfahrens gab es große Schwierigkeiten bei der Auswalzung der auf der Schrägwalze gefertigten dickwandigen Hohlkörper zu dünnwandigen, marktfähigen Rohren. Die Lösung brachte eine zweite große Erfindung, das Pilgerschrittverfahren von Max Mannesmann. Dieses Verfahren wurde in Komotau entwickelt, und zwar von den Erfindern selbst unter Mitwirkung ihres Chefkonstrukteurs Rudolf Bungeroth, der dazu von Remscheid nach Komotau beordert worden war.
Siegfried Blau hatte Alfred Mannesmann als technischer Leiter im Jahre 1893 abgelöst. Julius Franken war seit 1.7.1892 kaufmännischer Direktor.
Das Schrägwalzverfahren und das Pilgerschrittverfahren.
mit freundlicher Genehmigung von Mannesmann Archiv Mülheim /Rh.
Wie funktioniert das Mannesmann-Verfahren zur Herstellung nahtloser Stahlrohre?
Als Mannesmann-Verfahren wird das Schrägwalzen, lange Zeit in Kombination mit dem Pilgerwalzen, bezeichnet. Beide Techniken wurden von den Brüdern Reinhard und Max Mannesmann Ende des 19. Jahrhunderts erfunden.
Das Schrägwalzverfahren wurde 1886 patentiert. Es ermöglichte erstmals, aus einem massiven Stahlblock einen dickwandigen nahtlosen Hohlkörper herzustellen. Dafür wird der Stahlblock auf 1200 bis 1300 Grad erhitzt und zwischen zwei Walzen geführt, die schräg zueinander angeordnet sind und den gleichen Drehsinn haben. Damit Schrägwalzverfahrenarbeiten Walzen und das dazwischenliegende Walzgut wie eine Art Getriebe, bei dem das Walzgut schraubenlinienförmig zwischen den Walzen hindurch transportiert wird. Dem Walzgut wird ein Dorn entgegengestellt, der sich über eine frei drehbare Stange auf der Auslaufseite des Schrägwalzwerkes abstützt. Das Walzgut wird durch die Walzen über diesen Dorn gewalzt und damit gelocht. Vor der Dornspitze erfährt das Walzgut im Kern, bedingt durch die Rotation, wechselnde Zug- und Druckbeanspruchungen, die zur Auflockerung führen und so die Dornarbeit ermöglichen.
Den Brüdern Mannesmann war in den 1880er Jahren beim Walzen von Vormaterial für die Feilenherstellung aufgefallen, dass schräg stehende Walzen zu einer Kernlockerung und einem Aufreißen des Stahlblocks führen können. Durch die kühne Idee, dieses Phänomen systematisch zu nutzen, gelang es ihnen, zunächst allein durch Walzen, aus einem massiven Block einen Hohlkörper herzustellen. Jedoch setzten sie bald zur Unterstützung des Walzvorgangs einen Glättdorn ein, um das Aufreißen des Hohlblocks gleichmäßiger zu gestalten. In den seitdem vergangenen über einhundert Jahren ist das Verfahren so optimiert worden, dass ein Aufreißen des Stahlblocks vermieden wird und durch die Dornarbeit ein Hohlkörper mit einer möglichst regelmäßigen Innenoberfläche entsteht.
Der auf diese Art hergestellte dickwandige Hohlkörper war noch nicht als Rohr marktfähig. Anfang der 1890er Jahre entwickelte Max Mannesmann daher das Pilgerschrittverfahren, das den im Schrägwalzwerk entstandenen Hohlblock zu einem Rohr von großer Länge und mit geringer Wanddicke auswalzt. Im Pilgergerüst befinden sich zwei Pilgerschrittverfahrenübereinander angeordnete, konisch kalibrierte Walzen, die entgegen der Walzrichtung betrieben werden, zwischen sie wird der dickwandige Hohlblock auf einem zylindrischen Dorn eingeführt. Das sogenannte Pilgermaul erfasst den Hohlblock und drückt von außen eine kleine Werkstoffwelle ab, die anschließend vom Glättkaliber auf dem Pilgerdorn zu der vorgesehenen Wanddicke ausgestreckt wird. Entsprechend dem Drehsinn der Walzen wird hierbei der Pilgerdorn mit dem darauf befindlichen Hohlblock nach rückwärts – also gegen die Walzrichtung – bewegt, bis das Leerlaufkaliber das Walzgut frei gibt. Bei gleichzeitiger Drehung wird das Rohr um ein weiteres Stück zwischen die Walzen gebracht, der Walzvorgang beginnt von neuem.
Durch ein mehrfaches Überwalzen jedes Rohrbereichs wird eine gleichmäßige Wanddicke und Rundheit des Rohres erreicht. Am Schluss wird das Rohr vom Pilgerdorn abgezogen und die unsauberen Rohrenden werden abgetrennt. Die Bewegung des Rohrs bei diesem periodischen Walzvorgang – vor, zurück und wieder vor – ähnelt der Bewegung bei der Echternacher Springprozession, daher der Name "Pilgern".


