Die Bundeswehr an der "Gedenkstätte 9. Juni 1945" Gedenkstunde mit deutsch- tschechischer Kranzniederlegung von Hedwig Gemmrig- Helmich |
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Der 21.
März 2006 ist ein historischer Tag. In Deutschneudorf im sächsischen Erzgebirge,
an der Komotauer Gedenkstätte 9. Juni 1945, gedenken zum ersten Mal Einheiten
der Bundeswehr gemeinsam mit tschechischen Soldaten der
Vertreibungs-Geschehnisse vor 60 Jahren und der Opfer des Todesmarsches von 8000 Komotauer
Männern.
Was war am
9. Juni 1945 geschehen? Auf tschechischen Befehl hin mussten sich alle Komotauer
Männer im Alter von 13 bis 65 Jahren auf den Jahnspielplätzen ihrer Heimatstadt
einfinden, wurden geschlagen und ausgeplündert, an Erschlagenen
vorbei im Laufschritt ins Gebirge getrieben, was viele nicht überlebten und irgendwo
verscharrt wurden. Am Abend des 9. Juni 1945 kam die Spitze des Elendszuges
in Deutschneudorf zum Stehen, denn der weitere Weg auf sächsischem Boden
wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht gestoppt. Drei Nächte verbrachten die
Komotauer Männer und Jugendlichen, fast noch Kinder, scharf bewacht von
tschechischen Wachmannschaften, hungrig, von Durst und Schmerzen gequält auf der
Dorfstraße von Gebirgsneudorf (jetzt Nova Ves v Horach). Und dann ging es
weiter, nicht zurück nach Komotau wie viele hofften, sondern der Weg führte in
tschechische Zwangsarbeitslager in Maltheuern (jetzt:Zaluzi). Viele kamen nicht mehr
wieder. Wo sind sie hingekommen, wo fanden sie ihr Grab? |
Adolf Sachs, Gestalter der Gedenkstätte, fotografiert das Geschehen am 21.3.2006 |
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Zunächst
begrüßte Bürgermeister Peter Haustein, MdB (FDP), die
Anwesenden mit den Worten: Diese gemeinsame Kranzniederlegung von deutschen und tschechischen Soldaten, ist
gleichzeitig Aufruf, nicht zu vergessen, und Zeichen der Versöhnung. |
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Unter den
Gästen waren Veronika Bellmann MdB (CDU), die Landräte Albrecht Kohlsdorf für den Mittleren Erzgebirgskreis und Volker Uhlig für
den Kreis Freiberg und Beate Ebenhöh, Geschäftsführerin der Euroregion
Erzgebirge. Außerdem Landsleute der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Heimatkreis
Komotau. |
Eindrucksvoll
postierten sich junge Bundeswehrsoldaten an der Gedenkstätte. Die Zeremonie der Kranzniederlegung
übernahm Oberst Hofeditz, begleitet von leisen Trommelschlägen und einer Solotrompete Ich hatt einen Kameraden. Zwei
Die anschliessende Gedenkrede wurde von Oberst Karl- Martin Hofeditz gehalten:
Wir
stehen hier an der Gedenkstätte des 9. Juni, einem Mahnmal für die Opfer von Vertreibung
und Gewalt. Es reiht sich ein in unzählige Mahnmale in Europa. Sie erinnern an die Toten
der Kriege, der Vertreibungen und des Völkermordes und wir finden sie auch beiderseits
dieser Grenze, an der wir hier stehen. In den letzten zwei Tagen haben wir uns gemeinsam
deutsche und tschechische Soldaten mit unserer Geschichte des 19. und
20. Jahrhunderts beschäftigt. Mit der Geschichte eines Landes, zweier Völker, einer
Geschichte aber zweier unterschiedlicher Wahrnehmungen. |
Oberst Hofeditz und Dolmetscher Jens Gröschl |
Ich möchte
aber an diesem Ort trotz aller Trauer und Erinnerung ihren Blick auch in die Zukunft
richten: Sie, die Zukunft ist die einzige Zeit, die wir wirklich beherrschen. Nur sie
können wir nach unseren Wünschen formen.
Bei dem
polnischen Dissidenten Jan Josef Lipski fand ich in einem Essay: Entspannung
und Versöhnung, Worte an Günter Grass einige Worte, die ich sehr hilfreich fand
für den gemeinsamen Weg beider Völker in das 21. Jahrhundert:
Wir
müssen uns gegenseitig alles sagen, unter der Bedingung, dass jeder über seine eigene
Schuld spricht. Wenn wir dies nicht tun, erlaubt uns die Last der Vergangenheit nicht, in
eine gemeinsame Zukunft aufzubrechen.
Wir müssen
in die Fußstapfen der historischen Worte der polnischen an die deutschen Bischöfe
treten, die ich als einen von der Weisheit der christlichen Ethik tief geprägten
Wegweiser ansehe: Wir vergeben und bitten um Vergebung obgleich wir
beide uns persönlich doch kein Unrecht zugefügt haben. Aber ich weiß, dass Sie Ihrer
Heimat
Wir
denken heute,
Wir
gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch
Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben
verloren.
Wir
gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten,
einer anderen Rasse zugerechnet wurden oder deren Leben wegen einer Krankheit oder wegen
einer Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
Wir
gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen die Gewaltherrschaft
geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an
ihrem Glauben festhielten.
Pastorin Dorothea Recknagel mit Dolmetscher Jens Gröschl |
Gebet und
Segen sprach Frau Pastorin Dorothea Recknagel aus Deutschneudorf. Worte des
christlichen Glaubens des Verzeihens und Versöhnung der Menschen
untereinander. Mit dem gemeinsamen Vaterunser ging die Gedenkstunde in
Deutschneudorf zu Ende. Ein Dolmetscher übersetzte die Ansprachen ins Tschechische. |
Nach der Gedenkfeier wurde das vom 20.- 22. März
2006 dauernde Seminar in Brand-Erbisdorf, der Partnerstadt von Görkau
(Jirkov) fortgesetzt. Insgesamt 41 Offiziere und Soldaten
verschiedener Bundeswehrstandorte haben mit tschechischen Offizieren und Soldaten die gemeinsame deutsch-tschechische
Geschichte der letzten 150 Jahre diskutiert.
Zugegen waren Dozenten der Universitäten Pilsen,
Göttingen und des Militärhistorischen Instituts Prag.
Am Seminar nahmen auch teil
Lm. Herbert Göhlert, Zeitzeuge und
Teilnehmer des Todesmarsches vom 9. Juni 1945 und Lm. Prof. Rudolf Jansche vom Görkauer
Freundeskreis als Referent. Die Referate
umfassten unter anderem die Entwicklung des Nationalismus in Deutschland
und Österreich-Ungarn nach 1848, die Gründung der ersten tschechischen Republik, die Situation der Deutsch-Böhmen ab 1900, die
Besetzung 1939 sowie Besatzung bis 1945, die Vorbereitung und Durchführung der
Vertreibung Das Thema Vertreibung der Sudetendeutschen wurde heiß
diskutiert und brachte viele unterschiedliche Ansichten zu Tage.
Auch zu DDR-Zeiten sei nicht offen über die
deutsch-tschechische Geschichte und Vertreibung der Sudetendeutschen gesprochen worden. Dazu
erklärte Hauptmann Thomas Mielenz: Die Interpretation der Geschichte
war auf beiden Seiten verschieden. Wichtig
ist, offen miteinander zu sprechen. Das war auch die einhellige Meinung der Anwesenden. Man werde es in Zukunft leichter haben, öffentlich über diese
schwierigen Themen zu reden.
Schon seit 1997 arbeitet das Chemnitzer Bezirkskommando grenzüberschreitend mit der tschechischen Armee in verschiedenen Bereichen zusammen, so seit dem Jahre 2000 in der Erzgebirgspatrouille und in der gemeinsamen Pflege von Kriegsgräbern. Nicht zuletzt sind gemeinsame Bindungen auf europäischer Basis und in der Nato vorhanden.
Von links: Beate Ebenhöh von der Europaregion Erzgebirge, Prof. Rudolf Jansche, Herbert Göhlert, Hedwig Gemmrig- Helmich vom Heimatkreis Komotau, Bürgermeister und MDB Peter Haustein, die Landräte Albrecht Kohlsdorf und Volker Uhlig und Veronika Bellmann MDB |
Von links: Im Gespräch Oberst Hofeditz mit Bürgermeister Haustein, Jutta Seifert, Deutschneudorf und Hedwig Gemmrig,Adolf Sachs mit Prof. Rudolf Jansche |