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Konsum- Zentrale in Komotau, Leipziger Str. ehem. Rote Mühle

 

Die Konsum- und Spargenossenschaft „ Selbsthilfe „ Komotau

auszugsweise aus der Festschrift zum 25jährigen Jubiläum im Jahre 1930

 von Hedwig Gemmrig- Helmich

Vor über 100 Jahren wurde 1905 der Konsumverein „Selbsthilfe" in Komotau gegründet.

Im Zeitalter der Industrialisierung und der sich bildenden Arbeiterbewegung in der Mitte des vorletzten Jahrhunderts entstanden europaweit Konsumgenossenschaften, ausgerichtet nach dem Vorbild der ersten Konsumgenossenschaft „ Rochdale", den die verarmten Weber in England im Jahre 1844 gegründet haben. Als erste Konsumgenossenschaftsgründung 1849 auf deutschem Boden gilt Eilenburg in Sachsen. Diese strebte als Lebensmittelgenossenschaft die Selbstversorgung ihrer Mitglieder an. Schon vorher gründete Friedrich Wilhelm Raiffeisen 1847 einen Hilfsverein zur Unterstützung der ländlichen Bevölkerung.
Kehren wir zurück nach Komotau. Um 1870 entstand der erste Konsumladen auf dem Gelände des „Eisenwerkes", den die Betriebsleitung für ihre Arbeiter einrichtete, wo diese gegen Kredit die Woche über Waren einkaufen konnten und am Lohntag (Freitag) verrechnet wurden. Mit Schließen des Eisenwerkes schloss auch der Fabrikkonsum seine Pforten. Beim Erwerb der vorhandenen Gebäude durch die Gebrüder Mannesmann im Jahre 1885 und Errichtung der Mannesmannröhrenwerke wurde wiederum ein Konsumladen für die Arbeiter eingerichtet, der einige Jahre bestand.
Es bildeten sich zur gleichen Zeit außerhalb der Fabriktore und insbesondere im böhmischen und sächsischen Erzgebirge so genannte „Warenverteilungsvereine", die aber in wirtschaftliche Not kamen und die meisten das Jahr 1900 nicht überlebten, so auch der erste Konsumverein Komotau. Das Borgwesen, große Rückvergütungen und schwache Eigenmittel waren oft der Grund des Scheiterns.
Die Errichtung des Zentralverbandes und der Großeinkaufsgesellschaft österreichischer Konsumvereine bewirkte, dass in den Jahren 1902 bis 1908 eine größere Anzahl Konsumvereine gegründet und auf eine gesündere Basis gestellt wurden. Die Konsumvereine Komotau, Klösterle, Schmiedeberg und Weipert sind in dieser Zeit ins Leben gerufen worden. Der Zentralverband bestand auf die Bestellung von verantwortlichen Geschäftsführern, um schwierige finanzielle Situationen aus der früheren Periode zu verhindern.
1910 hatte Komotau vier Verteilungsstellen und einen Jahresumsatz von 172 000 K. Durch die fleißige Mitarbeit der Funktionäre (das Hauptkontingent stellten damals die Genossen Eisenbahner) gelang es bis 1914 die Zahl der Verteilungsstellen zu verdoppeln und den Umatz zu verdreifachen. Der Ausbruch des 1. Weltkrieges und die sofortige Einberufung des Geschäftsführers Schalek und die Kriegswirtschaft brachten den Konsumverein 1918 wieder in eine ungünstige Lage.
Der Verband, diesmal der Verband deutscher Wirtschaftsgenossenschaften Prag, musste wieder eingreifen und bestellte den Genossen Krombholz im Einvernehmen mit der Generalversammlung zum Geschäftsführer. Im Herbst 1920 kehrte Schalek aus sibirischer Gefangenschaft zurück und übernahm wieder die Geschäfte des Konsums Komotau. Die Umsätze stiegen gewaltig und neue Verteilerstellen wurden eröffnet.
Im Jahre 1922 am 1. Juni erfolgte der Anschluss des Bezirks - Konsumvereins Weipert mit 15 Verteilungsstellen, an dem kurz vorher der Konsumverein Schmiedeberg liquidiert hatte. Am 15. Oktober folgte der Konsumverein „Einigkeit" in Klösterle wieder mit 15 Verteilerstellen.
Neue Lagerräume mussten geschaffen werden. Die Lösung wurde im Ankauf der „Roten Mühle" gefunden. Die übernommenen kleinen Bäckereinen mit den gewöhnlichen Einschussöfen genügten nicht mehr und arbeiten unrationell. Es wurde daher an die Errichtung einer Dampfbäckerei geschritten, die im März 1925 mit zwei Doppelbackauszugöfen in Betrieb genommen und 1 Jahr später auf vier Öfen erweitert wurde. Zu der modern eingerichteten Großbäckerei gehörte auch eine Röstanlage für Kaffee, Korn und Gerste. Der Autopark bestand aus 2 Lastautos, 3 Lieferungsautos und 1 Personenauto.
Dem Ausbau und Ausgestaltung der Verteilerstellen/Konsumläden wurde großes Augenmerk geschenkt. Die Verteilungsstellenleiter und das Konsumpersonal wurden betriebsintern geschult. Es gab über 50 Verteilerstellen in überwiegend eigenen Gebäuden der Genossenschaft. Zum Beispiel war in Komotau Gerstnergasse 46 die Verteilungsstelle 2 und in Hohenofen Nummer 52.
Wer waren die Kunden des Konsums? Die Arbeiter der heimischen Industrie,Bergbau, Mannesmannröhrenwerke, Poldihütte und den vielen anderen Unternehmen. Im Bezirk Komotau waren am 1.12.1930 rund 48,6 % = 20.800 Berufstätige in der Industrie/Gewerbe tätig. Nach dem ersten Weltkrieg gehörten die Familien der arbeitslos gewordenen Landsleute zu den Kunden des Konsums. Die Frauen und Mütter schätzten den Konsum, wo sie billiger einkaufen konnten und 3 %Rabattmarken erhielten. Am Jahresende wurden damit die Weihnachtseinkäufe getätigt.
Über den Geschäftsverlauf nach 1930 liegen keine Unterlagen vor bzw. sind nicht zugänglich. Bekannt ist, dass weiterhin der Konkurrenzkampf mit der Privatwirtschaft zu bestehen war. Die Situation änderte sich schlagartig, als die deutsche Wehrmacht im Oktober 1938 einmarschierte und das Konsumgenossenschaftswesen und sämtliche sozialdemokratischen Institutionen aufgelöst wurden.
Hören wir dazu eine ehemalige Mitarbeiterin, der rund 400 Beschäftigten, Meta Schubert geb. Neuber: "Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht erfolgte die Liquidation des Konsums zum 31.12.1938. Die Genossenschaftsanteile wurden ausbezahlt. Nicht in bar, sondern in vorhandenen Waren (Lebensmittel, Textilien, Schuhe, Geschirr). Die Rückvergütungen, Einlösung der Rabattmarken, wurden abgewickelt. Weihnachten 1938 in der alten Heimat, zum letzten Male kamen die Frauen in den Konsum, um Einkäufe für die Weihnachtsbäckerei und Geschenke für die Familie zu besorgen".

Fotoalbum Konsum Komotau